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Säuselnd, hauchend und schnurrend / Maerkische Allgemeine

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CD-Cover Selma

30.11.2005 | Yvonne Catterfeld, Xavier Naidoo, Ute Lemper und andere singen in "Selma - In Sehnsucht eingehüllt" Gedichte einer zu früh Verstorbenen

Sie hatte keine Chance einmal berühmt zu werden. Ihre ersten Gedichte schreibt sie als 15-jährige in Czernowitz, damals Rumänien, heute Ukraine. Über Liebe, Sehnsucht, Glück. Viel Zeit bleibt ihr da schon nicht mehr: Bald marschieren die Deutschen ein und pferchen die jüdischen Bewohner in Ghettos, später in Konzentrations- und Arbeitslager. 1942 stirbt Selma Meerbaum-Eisinger, eine Verwandte des Lyrikers Paul Celan, im Lager Michailowska an Typhus. Die 18-Jährige hinterlässt 57 Gedichte.

Zwölf von ihnen sind jetzt vertont auf einer CD erschienen. Der kleine Potsdamer Vertrieb "Just records Babelsberg"bringt die Scheiben in den Handel - für das dreiköpfige Team ist es der bislang größte Coup der fünfjährigen Unternehmensgeschichte und, wie sich abzeichnet, ein großer Erfolg.

Ob auch die fünf M usiker von "The World Quintet" dies ahnten, als sie vor ein paar Jahren auf die Gedichte der jungen Czernowitzerin stießen, ist fraglich. Die Gruppe aus der Schweiz, die in ihren Kompositionen für "Selma - In Sehnsucht eingehüllt" Jazz, Klezmer, Klassik und orientalische Klänge mit leichter Hand mischt, suchte sich für die gesangliche Umsetzung zwölf Mitstreiter. Entstanden ist eine wunderschöne Kompilation mit heiteren und wehmütigen Melodien, die den Texten Raum lassen statt sie zu übertönen. Klavier, Klarinette und Flöte sorgen neben melancholischen für heitere und unbeschwerte Klänge, die Streicher für träumende Stimmung.

Die kleinen Kunstwerke bergen erfreuliche Überraschungen. So zählt die bluesige Interpretation von Hartmut Engler (Pur) zu den stärksten Beiträgen. Thomas D von den Fantastischen Vier spricht seinen Text kraftvoll, schraubt die Stimme verheißungsvoll abwärts, mit beinahe schnurrendem Klang, verlangsamt - um sich gleich darauf wieder in das Tempo des Gedichts zu stürzen. Die jazzige Partie von Joy Denalane besingt vergangenes Liebesglück, die Wiederkehr "vom Glücke, das schied" im Traum und das folgende Grauen des Erwachens. Jasmin Tabatabai säuselt, von orientalischen Klängen umwirbelt und überraschend hoch, doch mit ungeschmälerter Erotik, "Ich bin die Nacht". Die Stimme Xavier Naidoos klingt angenehm reif und vom leidenden Nölen befreit, als er von einem Nachmittag singt, an dem von Angst, Schrecken und Tod (noch) nichts anklingt, obwohl auch diese Gedichtsvorlage 1940 entstand. Sarah Connor, Inga Humpe, Yvonne Catterfeld und Stefanie Kloß (Silbermond) hauchen in den hellsten Tönen. Ute Lemper moduliert souverän, doch ohne Überraschungen. Dazu kommen Reinhard Mey und Volkan Baydar (Orange Blue).

"Lebt, liebt und gebt nie auf!" heißt es leicht pathetisch im Vorwort des schön gestalteten Booklets. Tatsächlich vermitteln die Lieder die Lebenslust der Dichterin. Es gelang ihr, die handschriftliche Gedichtsammlung "Blütenlese" vor der Deportation einer Freundin zuzuspielen. Renée Abramovici gelang die Flucht und als sie 1948 in Israel ankam, hatte sie die Gedichte Selmas im Gepäck.

Die CD ist eine wunderbare Geschenkidee für Liebhaber vertonter Lyrik, für Fans der beteiligten Interpreten - und für deren Skeptiker, die die zwölf hier von einer ganz anderen Seite erleben können.

Claudia Höhn

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